Russland wirft Deutschland vor, das Urteil im Tiergartenmord sei politisch motiviert. Gibt es dafür Anzeichen?
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Der Vorwurf aus Russland, das Urteil im Tiergartenmord sei politisch motiviert, ist schwerwiegend und wohl kaum zu beweisen. Um zu überprüfen, ob an dem Vorwurf etwas dran sein könnte, müssen wir einige Dinge voneinander trennen und genau anschauen.
Unabhängige Justiz in Deutschland?
Damit ein Urteil als politisch motiviert bezeichnet werden kann, muss die Justiz in dem betroffenen Land abhängig von der Regierung sein. Also ist die erste und grundsätzliche Frage: Ist deutsche Justiz von der Regierung unabhängig oder nicht?
Die Antwort ist, und das mag viele überraschen, leider: Nein, die deutsche Justiz ist nicht unabhängig von der deutschen Regierung. Der Grund dafür liegt im Gerichtsverfassungsgesetz, genauer gesagt in den Paragrafen 146 und 147. Die legen fest, dass die Staatsanwaltschaften den Anweisungen der Justizminister zu folgen haben. Das bedeutet, dass in Deutschland die Justizminister entscheiden, gegen wen wegen Straftaten ermittelt werden darf und gegen wen nicht. Und auch auf laufende Ermittlungen können die Justizminister Einfluss nehmen, denn eine Einschränkung der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften gegenüber den Justizministern gibt es nicht.
Für viele mag das neu sein, aber es ist wahr. Das hat 2019 der Europäische Gerichtshof bestätigt, wie Sie in dem im Schriftartikel verlinkten Urteil nachlesen können. Aber auch ohne dieses Urteil ist das nicht überraschend, denn wir alle erinnern uns noch an den Fall Barschel, bei dem der schleswig-holsteinische Justizminister der Lübecker Staatsanwaltschaft einfach verboten hat, zu ermitteln. Das ist kein Geheimnis und der Grund liegt in den genannten Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes.
Die Unabhängigkeit der Richter ist im Grundgesetz festgeschrieben, denen kann formal niemand Anweisungen geben. Aber das ist offensichtlich nur graue Theorie, denn in der Praxis kann ein Richter, der über einen politisch brisanten Prozess urteilen soll, trotzdem unter Druck gesetzt werden, indem man ihm andeutet, dass im Falle eines „falschen“ Urteils seine Karriere beendet ist.
Dass Richter, die politisch nicht gewollte Urteile fällen, durchaus mit Strafen rechnen müssen, hat der Fall des Richters vom Amtsgericht Weimar gezeigt, der gegen Corona-Maßnahmen an Schulen entschieden hat. Anstatt das politisch nicht gewollte Urteil einfach nur in der nächsten Instanz aufzuheben – was dann auch geschehen ist – wurde der Richter massiv unter Druck gesetzt und sogar seine Wohnung wurde von der Staatsanwaltschaft (die politischen Anweisungen folgen muss) durchsucht. Das war ein klares Signal an alle Richter in Deutschland, welche Urteile sie in der Frage der Corona-Maßnahmen zu fällen haben.
Mit der Unabhängigkeit der Justiz ist es in Deutschland also nicht weit her. Die Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden und die Richter kann man unter Druck setzen, wofür es Beispiele aus der Praxis gibt. Das muss natürlich noch nicht bedeuten, dass das Urteil im Tiergartenmord politisch motiviert ist. Aber es ist zumindest nicht ausgeschlossen. Um zu prüfen, ob das Urteil politisch motiviert sein könnte, müssen wir uns den Fall also genauer anschauen….hier weiterlesen: https://apolut.net/zweifel-am-tiergartenmord-von-thomas-roeper
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Dieser Beitrag erschien am 16. Dezember 2021 auf dem Blog anti-spiegel.
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